Barcheck I: Hotel Santo
Auf geht`s zum ersten wöchentlichen Check. Mit großem Durst, netter Begleitung und Insiderwissen in Form einer ehemaligen Angestellten besagter Bar, begebe ich mich in die Cocktailbar des Hotel Santo, Karlsruhe. Das Santo ist ja immerhin ein 4 Sterne Haus und Hotelbars haben ja durchaus den Ruf von guter Qualität. Meine Erwartungen sind also enorm.
Es ist Mittwoch und Happy Hour. Happy Hour? In einer Hotelbar? Ich komme ein wenig ins Grübeln, denn Happy Hour (HH) hat in den meisten Fällen leider wenig mit Qualität und guten Drinks zu tun. Einmal durch die Tür getreten befinden wir uns in einer angenehmen Atmosphäre, warmes Licht und schwere Materialen begleiten unseren Weg über Marmor und Teppich hinauf zur Bar. Freie Plätze gibt es einige an der Bar, drei nehmen wir gleich in Beschlag und lassen unseren Blick wandern. Die Bar ist noch nicht wirklich gefüllt, vielleicht 5-10 andere Gäste befinden sich mit uns im Raum. Die gleiche hochwertige Verarbeitung des Interieurs ist auch hier auszumachen, nur ein paar der Tische scheinen extra für die HH aufgestellt worden zu sein. Das erklärt auch, warum wir uns leicht beengt fühlen und der Weg zur Toilette etwas von einem Irrgarten hat. Die Örtlichkeiten sind übrigens penibelst Sauber, was man aber auch erwarten sollte, sind wir ja schließlich in einem Hotel. Zurück zur Bar. Nachdem der Barmann (Achtung, Insiderwissen: Anscheinend mit Abstand der Fähigste, der hier den Schüttelbecher schwingt) eine Bestellung bearbeitet hat, bringt er uns sofort die Karten.
Gespannt lese ich das Barmenu, das umfangreich ist und neben etwa 80 Drinks noch 40 Whisk(e)ys beherbergt. Viele großvolumige Cocktails im Stile amerikanischer Tiki-Drinks und ihrer Perversitäten, aber auch eine Auswahl an klassischen Drinks, sind zu finden. Ich bestelle einen Sidecar. Einen drei Komponenten Drink, der durchaus seine Tücken hat. Zubereitet wird er hier mit Remy Martin VS, Cointreau und Rauch Zitronensaft. Leider war mir klar, dass die HH zu Qualitätseinbußen führt. Zitronensaft aus der Flasche ist für gute Drinks einfach nicht geeignet, vor allem wenn es kleine mit wenigen Zutaten sind, in dem jede einen hohen Stellenwert hat. Frische Zutaten sind in meinen Augen einfach Pflicht. Besonders, wenn es sich um Zitrussäfte handelt. Der Drink steht schnell vor mir und überrascht mich doch. Er ist trinkbar. Die Balance stimmt, nur der schon angesprochene Zitronensaft spielt seine ganze Penetranz aus und ist mit jedem Tropfen klar spürbar. Schade. Meine Begleiterinnen ordern einen Cosmopolitan und einen Greyhound. Bei dem Greyhound handelt es sich um einen Vodka Red-Bull, der mit Champagner aufgegossen und mit drei roten Chemie-Kirschen (Sind die nicht schon tot? – Zombie-Kirschen?)garniert wird. Ein unnötiges Getränk, das ohne Vodka und ohne Red-Bull ein ganz großer Genuss wäre. Geschmacklich indifferent und vor allem der Champagner und Red-Bull gehen keine Verbindung ein. Der Cosmopolitan ist süffig und zum Glück nicht süß. Viel zu oft wird Pink mit süß in Verbindung gebracht und ein Cosmopolitan hat dann schnell nichts mehr mit einem Cosmopolitan zu tun. Allerdings ist auch er keine Offenbarung, schmeckt nach wenig. Obwohl hier zu frischem Limettensaft wurde, den man störenderweise noch eindeutig anhand des Fruchtfleisches auf der Oberfläche erkennen kann. Ein Finestrain mit einem Teesieb, wäre die deutlich bessere Alternative in der Zubereitung gewesen. Da ich anscheinend den größten Durst habe frage ich nach einem El Presidente, der sich nicht auf der Karte befindet. Trotz fehlender Kenntnis des Barmannes über die Rezeptur versucht er mir meinen Wunsch zu erfüllen, was mir sehr gut gefällt. Nach kurzer Einweisung meinerseits bekomme ich den El Presidente. Für mich der beste Drink des Abends. Nicht überragend aber eindeutig ein ordentlicher Drink. Wenn da nur nicht wieder diese Zombie-Kirschen wären. Gestärkt von den kostenlosen Knabbereien in Form von Flipps, Oliven und einer Zigarette in der Raucherlounge in bequemen schwarzen Sesseln, bezahlen wir. Insgesamt kostet der Abend 16.80€. Das sind im Schnitt etwa 4€ pro Drink. Wer so wenig verlangt kann einfach nicht mit guten Qualitäten arbeiten. Sicherlich war die Preis-Leistung für uns an diesem Abend gut. Wir haben fast nichts für sehr wenig bezahlt. Jedoch würde ich gerne mehr zahlen und dafür dann aber deutlich mehr bekommen.
Unser Barmann hat sich trotzdem gut geschlagen. Er hat schnell und effektiv gearbeitet, war nett und ruhig. Allerdings würde man sich etwas mehr Liebe zum Detail wünschen. Wie wir aufgeschnappt haben, gab es an diesem Abend keine Minze, weil er nach seiner eigenen Aussage zu faul war, Minze zu kaufen. Auch das freie Pouring nur mit Ausgießer ist zumindest kritisch zu sehen. Die Drinks waren zwar trinkbar, aber nicht wirklich mehr als das. Auch die auf den ersten Blick schöne Ausstattung wirkte Aufgrund der HH überfüllt und nicht mehr gemütlich. Potenzial ist sicherlich vorhanden. Wenn die Qualität für den Gast etwas mehr in den Blickpunkt gerät und mehr auf Details geachtet werden würde. Wenn man die HH umgeht und nicht unbedingt nur Cocktails trinkt, kann man in der Hotelbar des Santo sicherlich einen schönen Abend verbringen. Wir zumindest verlassen es an diesem Abend mit gemischten Gefühlen.
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