Verklärte Welt – Dilemma Ernährung

Ein klarer Blick auf die Ernährung.

 Wer essen will wird immer auch irgendwo Schaden zufügen.

Überall sieht man sie, selbsternannte Propheten der guten Ernährung und Nachhaltigkeit mit ihren unmündigen, kurzsichtigen Jüngern, die an vielen Ecken und Enden predigen. Immer dieselben Mantras hört man sie herrunterbeten. Gegen Genmais, gegen Massentierhaltung, gegen Fleischfresser, gegen das Töten und Verfüttern von Zoogiraffen. Sie verklären die Natur, den Gang der Dinge, leben in ihrer behüteten Welt voller Friede, Freude und Eierkuchen – ich korrigiere, Eierkuchen gibt es in dieser Welt oft nicht.

Ich frage mich was manche Menschen für ein Bild von der Ernährung entwickelt haben. Glauben sie könnten gute Menschen sein und gleichzeitig ein gutes Leben führen? Das funktioniert nicht. Wer essen will wird immer auch irgendwo Schaden zufügen. Egal ob er jetzt Tiere in Massen züchtet und hält, Getreide und Gemüse in Monokultur anbaut oder riesige Ackerflächen mit Pestiziden besprüht und Wälder rodet. Wer gerne Südfrüchte isst, trägt das Elend hinaus in die Welt. Unsere Gesellschaft funktioniert nur so. Wir werden immer mehr Menschen, die sich immer effektivere Wege zur Nahrungsproduktion einfallen lassen, um den Markt zu versorgen, Nachfrage zu befriedigen und Geld zu verdienen. Natürlich beobachten wir auch unschöne Auswüchse hinsichtlich der Nahrungsherstellung, die nicht sein müssten. Aber im Großen und Ganzen ist dies einfach die logische Entwicklung einer cleveren und dominanten Tierart, das Spiel des Lebens und in diesem Spiel ist mittlerweile wenig Platz für Ernährungsromantik.

 Vor 12000 Jahren am Beginn der Jungsteinzeit wurde der Pflug erfunden und seitdem geht es bergab mit der Romantik des Essens.

Menschen die noch nie einen Garten bestellt haben oder Hühner hielten sind auf der Suche nach einer völlig weltfremden Romantik bezüglich der Ernährung. Doch das wonach sich sie suchen, wonach sie sich sehnen, wofür sie leben und was sie oft predigen, ging schon lange verloren. Ein Datum nenne ich euch hierzu gerne: Vor 12000 Jahren am Beginn der Jungsteinzeit wurde der Pflug erfunden und seitdem geht es bergab mit der Romantik des Essens und der Essensproduktion. Wir begannen die Umwelt nach unseren Bedürfnissen zu formen, sie zu nutzen und eben auch auszunutzen. Ackerbau und Viehzucht ersetzten von nun an in großen Teilen das Jagen und Sammeln von Nahrung. Den endgültigen Todesstoß für die Essensromantik führte dann ein Karlsruher, Herr Fritz Haber, der mit seiner Ammoniaksynthese die Ernährung aus den Angeln gehoben hat. Seitdem stiegen Erträge, die Erdbevölkerung und Städte wuchsen. Doch jener Bevölkerung fehlt der Bezug zur Nahrung mittlerweile völlig. Und ich prophezeie: Es wird so weiter gehen. Ein „zurück zur Natur“ wird es nur schwerlich geben. Einzig ein „vorwärts zur Natur“ wie wir es gerade erleben ist denkbar. Ein aktuelle Tendenz die im Moment geprägt ist von einer Sehnsucht nach natürlichen Lebensmitteln, nach einkaufen wie auf dem Bauernmarkt, nach schlichter Ursprünglichkeit, die in Wirklichkeit nicht immer sehr ursprünglich ist.

Alternativ könnten auch viele Menschen sterben, wenn wir unsere kulturelle Entwicklung zurückdrehen und so leben wie früher als alles besser war. Dass Menschen sich quälen interessiert ja sowieso meist weniger als wenn süße Tiere und unsere Umwelt durch unseren Appetit leiden müssen. Man sorgt sich mehr um eine Giraffe in einem Zoo in Kopenhagen, als um die Menschen auf Obstplantagen, die hart arbeiten und mit ca. 30-40 Jahren schuften zu Grunde gehen. Ja es kann auch mal um Menschen gehen, die Tiere, die uns eigentlich am Nächsten sein sollten. Neben Puten, Schweinen und Rindern werden sie allzu oft vergessen.

…verklärtes Denken mit überhöhten Moralen und Werten, die nach reichlicher Überlegung kein Mensch auf dem Planeten zu leben im Stande ist.

Ganz klar, es ist nicht lobenswert wie manche Tiere unter schlechtesten Bedienungen gehalten werden und es ist durchaus nachvollziehbar, dass viele Menschen sagen, diese Auswüchse der Nahrungsmittelindustrie unterstütze ich nicht und ich verzichte auf dieses Fleisch. Es gibt aber genug Betriebe (sicher die Mehrzahl), die sauber und zum Wohle des Tieres arbeiten. Zum Wohle des Tieres arbeiten heißt aber früher wie heute immer noch über Leben und Tod zu entscheiden. Die Tierhaltung und Fleischproduktion hat seit vielen Tausend Jahren ihren Platz in der menschlichen Ernährung und war immens wichtig für die Entwicklung des Menschen z.B. durch Erschließung der Energie aus Pflanzen, die wir selbst nicht verwerten konnten (in der Massentierhaltung der Industrieländer nicht mehr gänzlich zutreffend). Die prinzipielle Ablehnung tierischer Produkte, um keinem Lebewesen unnötig Leid zuzufügen ist letztlich einfach nur weltfremdes, verklärtes Denken mit überhöhten Moralen und Werten, die nach reichlicher Überlegung kein Mensch auf dem Planeten zu leben im Stande ist.

Einzig im eigenen Garten kann man noch Romantik erleben. Einen Teil des Eigenverbrauchs selbst decken, ohne Pestizide, mit natürlich glücklichen Hühnern mit viel Auslauf. Dann gibt es im Sommer leckere Tomaten, Gurken, Salate und manchmal ein Ei. Im Winter bleiben nur ein paar Kartoffeln (der Rest hat der Kartoffelkäfer vernichtet), Zwiebeln, und Kohl. Wer also Essensromantik haben möchte, bekommt sie auch. Natürlich auch nur wer noch versteht wie man Pflanzen aufzieht, hütet und Samen züchtet. Schon mal darüber nachgedacht wie Kohl mehrjährig anzubauen ist? Nein? Dann wird es Zeit.