Wien kulinarisch entdeckt
Seit acht Stunden sitze ich nun im Fernbus. Mein Hintern schmerzt und nach einer Rittersport-Landliebekaffee-Diät sehne ich mich nach einer ordentlichen Mahlzeit. Die Hoffnung liegt im nur noch zwei Stunden entfernten Wien. Während sich unser grüner Bus durch die hügelige Landschaft um Amstetten schlängelt, beginne ich zu träumen… Bodenständige Küche in den Beisl und Heurigen bei gutem Bier und Wiener Schnitzel. Kräftige und aromatische Kaffeespezialitäten aus der Wiener Kaffeehauskultur. Zudem Einblicke in die hervorragende Barszene und ein paar gute Tropfen Wein wären auch nicht zu verachten. Dabei denke ich sehr an das etwas südlichere gelegene Burgenland, welches mich schon oft positiv überrascht hat. Ohja – ich habe ein gutes Gefühl bei dieser Reise.
Naschmarkt – touristisch, aber fantastisch
Gleich zu Beginn unserer Reise stoßen wir ins kulinarische Herz von Wien, dem Naschmarkt. An unzähligen Ständen und Hütten schlägt einem ein schwer überschaubares Angebot entgegen. Frisches Obst und Gemüse, Käse, Fleisch und Wurst, deren Variationen aus Österreich und umliegenden Ländern stammen. Hierzu gesellen sich Fisch, Gewürze, Wein, Oliven, Nüsse und alles was sich sonst noch zwischen die Zähne schieben lässt. Sollte bei all den Nahrungsmitteln Hunger aufkommen, lässt sich an unzähligen kleinen Restaurants ganz gut Speisen. Aber Augen auf bei der Restaurantwahl: Die meisten Restaurants machen gutes Essen, zu ein wenig höheren Preisen als anderswo. So aßen wir einerseits bei einem asiatischen Restaurant ein annehmbares Mittagsmenü. Andererseits landeten wir auch in einer absoluten Touristenfalle. Einmal die Foursquare-App nicht zu Rate gezogen und es gleich bereut. Selten so schlecht gegessen für so viel Geld wie in der „Gräfin am Naschmarkt“. Lest mehr dazu bei Foursquare oder yelp.
Highlight Heurigen
Hingegen richtig gutes Essen und Wein zu unschlagbaren Preisen, konnten wir in einem Wiener Heurigen genießen. Heurigen sind vergleichbar mit den bei uns bekannten Besen- und Straußenwirtschaften, die dort ihren eigenen Wein und kleine Speisen ausschenken. Lokalisiert sind sie rings um Wien in den Vororten, wo auch die Reben für den Wiener Wein wachsen. Es ist absolut traumhaft für eine Großstadt, eine solche Nähe zu Natur und Landwirtschaft zu haben (Karlsruhe und Stockholm sind hier auch schöne Beispiele). Eine kurze Taxifahrt brachte uns hinaus nach Perchtoldsdorf, wo wir Georg Sommerbauer besuchten. Dort genossen wir Brotaufstriche, Wurst, Schinken und Käse, geräucherte Forelle, Surschnitzel (gepökeltes Schweinefleisch, paniert und ausgebacken – köstlich), und Eierschwammerlragout (Pfifferlinge) mit Semmelknödeln. Dazu flossen unzählige hervorragende Weißweine und Brände in unsere Kehlen. Von Weißburgunder und Grüner Veltliner (liebevoll auch GrüVe genannt), über ein Cuvee aus der autochthonen Rebsorte Neuburger x Malvisier, bis hin zu Haselnuss- und Marillenschnaps. Man darf von einem gelungenen Abend sprechen, wenn vier Mann nach vier Stunden zufrieden zum Taxi taumeln und nur 100€ ausgegeben haben.
Kaffeehauskultur & Warme Würstchen
Und was macht man sonst so in Wien außer Essen und Trinken? Richtig – noch mehr Essen und Trinken (vllt noch ein wenig Sightseeing der in Gänze wirklich schönen Stadt). Wien verfügt über eine ausgeprägte Kaffeehauskultur, die über viele gemütliche Cafés und eigenständige Kreationen verfügt. Hier genießt man Schwarze, Braune, Einspänner und Wiener Melange zu einem guten Stück Kuchen oder Torte. Weltberühmt natürlich die Sachertorte, die idealerweise im Café Sacher oder dem Café Demel (kaiserlicher und königlicher Hoflieferant) zu probieren ist. Beide genannten Cafés wirken vom Ambiente eher schnieke. Ein typisches, uriges Wiener Künstler- und Literatencafés besuchten wir mit den Café Hawelka. Das Ambiente hier ist eher dunkel gehalten, das Interieur seit 1912 unverändert und somit in seiner Wirkung sehr unsteril und urgemütlich. Die Preise in diesen Cafés sind etwas gehoben, aber noch in einem akzeptablen Rahmen.
Wem es nachmittags schon nach Bier, Wein und andern Drinks steht, dem sei die Dachbodenbar im 25hours Hotel empfohlen. Vom langen Balkon der Bar bietet sich eine großartige Aussicht über die Stadt. Ein idealer Ort um entspannt die ersten Promille des Tages zu tanken. Natürlich bietet die Bar auch alkoholfreie Getränke, zum Beispiel in Form einer großen Teeauswahl. Für den abendlichen Alkoholgenuss kann die Hammond Bar oder The Sign Lounge empfohlen werden.
Und zu guter Letzt seien noch die Wiener Würstelstände erwähnt, die einen in der ganzen Stadt mit einer großen Auswahl an leckeren gegrillten Würstchen versorgen. Zum Standard gehören Frankfurter (Wiener), Burenwurst (Haße = „Heiße“), Käsekrainer (Eitrige), Debreziner und die Waldviertler, eine doppelt geräucherte und daher sehr aromatische Wurst. Letztere haben wir gegessen und für sehr gut befunden. Am besten scharf bestellen mit Senf und Kren (Meerrettich).
Wien ohne Figlmüllerschnitzel?
Leider ja. Aber es gibt nicht nur dort gute Schnitzel. 😉
Hm, warum bekomme ich nur gerade jetzt richtig Lust auf ein großes Schnitzel 😀